Politisches Selbstverständnis // Political self-conception
Frankfurt ist ein Paradebeispiel für den unsozialen und profitorientierten Ausbau von Städten. Es gibt fast keine bezahlbaren Wohnungen mehr, Menschen müssen in prekären Verhältnissen leben oder werden aus der Stadt verdrängt. Dies betrifft vor allem (mehrfach-)diskriminierte Menschen, die aufgrund rassistischer und klassistischer Strukturen so gut wie keine Chance auf dem Wohnungsmarkt haben. Gleichzeitig finden unzählige Luxussanierungen statt oder Häuser leiden unter jahrelangem Leerstand. Diese Praxis wird seit Jahrzehnten von der Stadtpolitik so hingenommen. Um diesem System der ungerechten Behandlung etwas entgegenzusetzen, haben wir uns Raum genommen und gestalten diesen in unserem Hausprojekt nach unseren Vorstellungen.
Wir versuchen uns mit unseren Fähigkeiten, Stärken und Schwächen zu organisieren, zu wachsen und zu stützen. Selbstorganisation, Selbstwirksamkeit und gegenseitige Unterstützung stehen dabei im Vordergrund. Wir sehen uns als Teil einer solidarischen Stadt- und Nachbarschaftsstruktur, die mit den Herrschaftsmustern von Patriarchat und Kapital brechen möchte. Das bedeutet das Hinterfragen von machtvollen Institutionen und unserem anerzogenen Verhalten.
Uns ist es wichtig, sowohl solidarischen Freiraum zu schaffen, als auch eine klare politische Positionierung gegen ein System einzunehmen, das rassistische, klassistische und sexistische Mechanismen reproduziert. Armut, Wohnungslosigkeit und Rassismus sind strukturelle Gewalt.
In unserer Gruppe sind unterschiedlichste Privilegien, Sozialisierungen und Hintergründe vertreten. Wir sind verschieden und können uns sehen.
Zentrale politische Forderungen und Ziele unseres Projekts sind:
- Lebenswerter Wohnraum, der für Alle zugänglich ist
- Freigabe von Leerstand für selbstverwaltete Projekte
- Umnutzung von Leerstand für soziale Wohnnutzung
- Selbstverwaltete Schutzräume für Personen, die von Diskriminierung betroffen sind
- Nicht-kommerzielle Räume für Kunst, Kultur und Politisierung, die für Alle zugänglich sind
- Finanzielle Unterstützung selbstverwalteter Projekte durch die Stadtverwaltung – Wir machen eure Arbeit!
- Förderung von Housing First-Ansätzen
***
Frankfurt is a prime example of the antisocial and profit-oriented expansion of cities. There is almost no affordable housing left, people have to live in precarious conditions or are pushed out of the city. This mainly affects people who have suffered (multiple) discrimination and who have virtually no chance on the housing market due to racist and classist structures. At the same time, countless luxury renovations are taking place or houses suffer from years of vacancy. This practice has been accepted by city policy for decades. In order to counter this system of unfair treatment, we have taken up space and are designing it in our house project according to our own ideas.
We try to organize, grow and support ourselves with our abilities, strengths and weaknesses. We focus on self-organization, self-efficacy and mutual support. We see ourselves as part of a solidary city and neighborhood structure that wants to break with the patterns of domination of patriarchy and capital. This means questioning powerful institutions and our inherited behavior.
It is important to us to create space for solidarity as well as to take a clear political stance against a system that reproduces racist, classist and sexist mechanisms. Poverty, homelessness and racism are structural violence.
Our group is made up of people with a wide variety of privileges, socializations and backgrounds. We are different and can see each other.
The central political demands and goals of our project are
- Livable living space that is accessible to all
- Release of vacancies for self-managed projects
- Conversion of vacancies for social housing use
- Self-managed shelters for people affected by discrimination
- Non-commercial spaces for art, culture and political work, that are accessible to all
- Financial support for self-managed projects from the city council – We do your work!
- Promotion of Housing First approaches
Beteiligte Gruppen // Involved groups
Die Gruppen sind schon seit Jahren in Frankfurt politisch aktiv:
Project.Shelter arbeitet seit vielen Jahren an dem Kreislauf von Wohnungslosigkeit und Arbeitslosigkeit mit besonderem Fokus auf Migrant*innen und Geflüchtete. Das Ziel ist die Schaffung eines migrantischen Zentrums als sicherer Ort des Austausches und der Beratung.
Die ada_kantine ist ein solidarisches Restaurant, wo viermal wöchentlich mit geretteten Lebensmitteln gekocht wird. Die gemütliche Atmosphäre der Kantine und der nicht-kommerzielle Zugang schafft einen sozialen Treffpunkt und baut langfristige Beziehungen mit den Menschen auf.
Das Kollektiv Freiräume statt Glaspaläste setzt politische Zeichen gegen Gentrifizierung und Leerstand. Die kreativen politischen Aktionen sind mit direkter und konkreter selbstorganisierter Hilfe für wohnungs- oder obdachlose Menschen verbunden.
***
Project.Shelter has been working on the cycle of homelessness and unemployment for many years, with a particular focus on migrants and refugees. The aim is to create a migrant center as a safe place for exchange and advice.
The ada_kantine is a solidarity restaurant that cooks with rescued food four times a week. The canteen’s cozy atmosphere and non-commercial approach creates a social meeting place and builds long-term relationships with people.
The Freiräume statt Glaspaläste collective makes a political statement against gentrification and vacancy. The creative political actions are combined with direct and concrete self-organized help for homeless people.
Geschichte // History
Im Dezember 2022 besetzt das Kollektiv Freiräume statt Glaspaläste die Günderrodestraße 5 in Frankfurt-Gallus. Das Haus steht zu diesem Zeitpunkt bereits seit einiger Zeit leer, nachdem die Mieter*innen der Sozialwohnungen entmietet wurden. Eigentümer des Gebäudes ist die Verlagsgruppe FAZ, die auf dem Gelände das großflächige Immobilienprojekt Quartier Hellerhöfe plant. Damals aktueller Untermieter des Gebäudes ist die KEG (Konversions- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbH, zugehörig zur Stadt Frankfurt).
Zur gleichen Zeit kämpfen zahlreiche obdachlose Personen mit eisigen Minusgraden. Daher geht das Kollektiv gemeinsam mit Project.Shelter und der ada_kantine in die Verhandlung über die Nutzung des Gebäudes. Noch im Dezember unterschreibt der Verein Initiative Zukunft Bockenheim e.V. in Abstimmung mit uns drei Gruppen den Gestattungsvertrag. In kürzester Zeit wird unser Hausprojekt von Ehrenamtlichen mit solidarischer Hilfe aus der Nachbarschaft eingerichtet. Mitte Januar ziehen etwa 30 zuvor obdach- oder wohnungslose Personen ein.
Schon zu Beginn ist klar: Das Haus wird abgerissen, um das teure Immobilienprojekt umzusetzen. Wir beteiligten Gruppen aktivieren die Öffentlichkeit mit Soli-Barabenden, einem Tag der offenen Tür, einem Straßenfest, einer Kundgebung und bleiben hartnäckig in den Verhandlungen um ein Folgeobjekt. Die lange Ungewissheit über den Erhalt unseres Hausprojekts verunsichert und stresst die Bewohner*innen als auch alle am Projekt beteiligten Personen. Erst kurz vor Ende des Gestattungsvertrags kann die Stadt den Umzug auf ein neues Gelände zusagen.
Im Juni 2023 ziehen wir von der Günderrodestraße in die Palleskestraße in Höchst (Gündi West). Auch dies geschieht in kürzester Zeit und mit Unterstützung vieler solidarischer Personen. Das neue Gebäude birgt viele Möglichkeiten, weil es an ein großes Freigelände angeschlossen ist. Gleichzeitig sind zahlreiche Renovierungsarbeiten notwendig, es ist weniger Raum zugänglich, wie zunächst versprochen und die Randlage stellt viele Bewohner*innen vor Herausforderungen.
Trotzdem richten wir uns in Höchst gut ein, etablieren interne Strukturen und eröffnen die Gündi West mit einem Eröffnungsfest im September 2023. Project.Shelter eröffnet im Frühjahr 2024 das solidarische Cafè, welches auch als Veranstaltungs- und Workshopraum genutzt wird.
Doch auch die Zeit in Höchst ist endlich, die Nutzungszusage gilt nur bis Ende 2024. In der verbleibenden Zeit wollen wir das Hausprojekt in der Höchster Stadtgemeinschaft integrieren und einen Raum für Begegnungen im Stadtteil bieten, z.B. durch eine Fahrradwerkstatt, mit Veranstaltungen oder in dem Cafè. Gleichzeitig geht der Kampf um ein weiteres Folgeobjekt weiter, denn wir haben ein Haus erkämpft, wir haben nicht aufgegeben, um ein weiteres zu bekommen und wir werden auch diesmal nicht aufgeben.
***
In December 2022, the Freiräume statt Glaspaläste collective occupied Günderrodestraße 5 (Gündi) in Frankfurt-Gallus. The building had been empty for some time at this point after the tenants of the social housing were evicted. The owner of the building is the FAZ publishing group, which is planning the large-scale Quartier Hellerhöfe real estate project on the site. The current subtenant of the building at the time was KEG (Konversions- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbH, part of the City of Frankfurt).
At the same time, numerous homeless people are struggling with freezing sub-zero temperatures. The collective therefore joins Project.Shelter and ada_kantine in negotiating the use of the building. In December, the association Initiative Zukunft Bockenheim e.V. signs the license agreement in coordination with us three groups. Within a very short space of time, our house project is set up by volunteers with solidarity-based help from the neighborhood. In mid-January, around 30 previously homeless people move in.
Right from the start, it is clear that the building will be demolished in order to implement the expensive real estate project. We involved groups activated the public with solidarity bar evenings, an open day, a street party, a rally and persisted in negotiations for a follow-up property. The prolonged uncertainty about the preservation of our house project unsettles and stresses out the residents as well as everyone involved in the project. It was only shortly before the end of the license agreement that the city was able to promise the move to a new site.
In June 2023, we move from Günderrodestraße to Palleskestraße in Höchst (Gündi West). This will also happen in a very short space of time and with the support of many people showing solidarity. The new building offers many possibilities because it is connected to a large outdoor area. At the same time, a lot of renovation work is necessary, less space is accessible than initially promised and the peripheral location poses challenges for many residents.
Nevertheless, we are settling in well in Höchst, establishing internal structures and opening Gündi West with an opening party in September 2023. Project.Shelter will open the solidarity café in spring 2024, which will also be used as an event and workshop space.
However, the time in Höchst is also finite, the promise of use is only valid until the end of 2024. In the remaining time, we want to integrate the house project into the Höchst urban community and offer a space for encounters in the district, e.g. through a bicycle workshop, with events or in the café. At the same time, the fight for another follow-up property continues, because we have fought for a house, we have not given up on getting another one and we will not give up this time either.